Sei es der unliebsame Kommentar einer Kollegin, die unsensible Bemerkung eines Familienmitglieds oder die unachtsame Reaktion deines/deiner Partner:in – Hochsensible wissen oft einfach nicht, wie sie auf bestimmte Aussagen „adäquat“ reagieren sollen. Denn sie möchten einerseits keinen Streit vom Zaun brechen, „nur“ wegen einer „Kleinigkeit“, sowie keinesfalls wieder als „zu sensibel“ abgestempelt werden, andererseits wurmen sie bestimmte Aussagen ihrer Mitmenschen oft noch sehr lange und sie wünschen sich häufig, etwas schlagfertiger zu sein.
Heute habe ich dir daher 5 wertvolle Tipps inklusive Formulierungsbeispiele mitgebracht, die dein (Kommunikations-)Leben erleichtern werden.
Grenzen (besser) kommunizieren als HSP – 5 Tipps
Tipp #1: Bleib bei dir
Den Fehler Nr. 1, den viele Hochsensible beim Thema Kommunikation machen, ist, dass sie immer sofort mitbedenken, wie das, was sie sagen wollen wohl beim anderen ankommen wird, wie sich dieser dann (vermeintlich) fühlen wird, was er/sie dann entgegnen könnte etc. – und all das blockiert und verhindert im schlimmsten Fall, dass wir überhaupt etwas sagen.
Versuche daher, dich immer wieder darauf zu fokussieren, was DU JETZT möchtest bzw. brauchst, bleib bei dir und mache einen Schritt nach dem anderen.
Affirmationen, die dir dabei helfen können, mehr bei dir zu bleiben:
Ich habe ein Recht auf meine Grenzen und Bedürfnisse.
Ich darf es mir selbst recht machen.
Ich übernehme Verantwortung für mich und mein Wohlbefinden.
Du kannst als hochsensibler Mensch darauf vertrauen, dass du von Natur aus achtsam und wertschätzend kommunizierst.
„Du bist dafür verantwortlich, was du sagst, nicht dafür, was andere verstehen.“
Und schon gar nicht bist du für die Gefühle, die dadurch eventuell beim anderen ausgelöst werden, verantwortlich.
Tipp #2: Du musst KEINEN Grund angeben
Oft unterliegen Hochsensible auch dem Trugschluss, immer einen Grund oder eine Rechtfertigung angeben zu müssen, warum sie etwas nicht möchten, nicht kommen können etc. Du bist allerdings niemandem Rechenschaft schuldig. Wir haben es uns lediglich sozial angewöhnt, anderen unsere Beweggründe mitzuteilen, um sie nachvollziehbarer zu machen. Aber du musst das nicht. Es gibt sogar sehr viele Situationen, in denen es völlig ausreicht, „nur“ Bescheid zu geben oder abzusagen.
Hier ein paar Formulierungsbeispiele zur Inspiration:
„Danke, dass du dabei an mich gedacht hast, aber ich möchte das nicht / das ist nichts für mich.“
„Vielen lieben Dank für die Einladung. Ich habe mich sehr gefreut, kann jedoch leider nicht dabei sein.“
„Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich schaffe es leider nicht.“
Ich habe es eigentlich noch nie erlebt, dass jemand nachgefragt hat und falls doch, lautet die Antwort: „Ich bitte dich, meine Entscheidung zu respektieren“ oder „weil ich es nicht möchte“. Punkt.
WICHTIG: Du musst keine Diskussionen führen!
Tipp #3: Verschaffe dir Zeit
Was Hochsensible beim Thema Kommunikation ebenfalls oft sehr stresst, ist der Zeitfaktor. Vor allem in der direkten Face-to-Face-Kommunikation bleibt meist kaum Zeit, sich in Ruhe eine passende Antwort zu überlegen. Das ist jedoch genau das, was Hochsensible brauchen: genügend Zeit, um die vielen Gedanken und Gefühle, die oft gleichzeitig einströmen, zu sortieren und sich in Ruhe eine passende Formulierung zu überlegen. Während dies bei schriftlicher Kommunikation kein Problem darstellt, fällt dies bei direkter Kommunikation oft weg.
Abgesehen davon, dass du natürlich vieles ins Schriftliche verlegen darfst, kannst du dir auch im persönlichen Kontakt Raum und Zeit verschaffen. In sehr überwältigenden Situationen gehe ich beispielsweise gerne kurz aufs Klo, um mich zu sammeln, durchzuatmen und zu sortieren oder mache einen Spaziergang. Aber auch mit Worten kannst du dir Zeit verschaffen:
Hier ein paar Beispiele zur Inspiration:
„Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, habe nun allerdings meinen Kalender nicht mit / kenne meine Termine nicht alle auswendig. Ich schaue daher später daheim nach und melde mich dann.“
„Das, was du gerade gesagt hast, hat mich ehrlich gesagt sehr getroffen. Ich brauche jetzt ein bisschen Zeit für mich, um mich zu sortieren.“
"Danke für das Angebot. Ich überlege es mir in Ruhe und melde mich anschließend bei dir.“
"Das überrumpelt mich jetzt ehrlich gesagt etwas. Ich muss mir das in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und gebe dir Bescheid, sobald ich mich entschieden habe.“
WICHTIG: Du musst NICHT auf alles sofort reagieren und eine Antwort darauf wissen. Es ist okay, sich Zeit zu nehmen. Nimm das Tempo raus und dir die Zeit, die DU brauchst, um zu einer für dich zufriedenstellenden Formulierung zu kommen.
Tipp #4: Bereite dich vor
Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass wir alles aus dem Effeff einfach so können müssen. Selbstverständlich ist es erlaubt, sich auf Gespräche oder (potenziell) schwierige Kommunikationssituationen vorzubereiten.
Natürlich kannst du dich nicht auf jegliche Situation vorbereiten, aber meiner Erfahrung nach reicht es schon, sich einige Formulierungen vorab zu überlegen, um sie dann im gegebenen Fall parat zu haben.
Denn oft sind wir Hochsensible ja ob der Übergriffigkeit und Dreistigkeit mancher Menschen so baff, dass es uns prompt die Sprache verschlägt und wir erstarren – und dann sind wir natürlich blockiert und haben keinen Zugriff auf unsere Kreativität und somit auch keine Möglichkeit, uns eine passende Antwort zu überlegen. Im besten Fall können wir jedoch zumindest auf bereits Gelerntes zurückgreifen.
Frage dich also, für welche Situationen du dich künftig gerne etwas besser wappnen möchtest – sei es das nächste Familientreffen oder das Gespräch mit deiner Chefin. Denn oft wiederholen sich Situationen und Aussagen ja in ähnlicher Form immer wieder.
Hier wieder ein paar Beispiele zur Inspiration:
Q: Was kann ich Tante Mitzi das nächste Mal antworten, wenn sie wieder fragt, wann wir endlich Kinder bekommen?
A: Das ist ein sehr sensibles Thema für mich. Ich bitte dich daher, nicht mehr nachzufragen.“ Oder „Ich möchte darüber bitte nicht sprechen.“
Q: Was möchte ich entgegnen, wenn das nächste Mal jemand zu mir sagt: „Du bist einfach zu sensibel!“?
A: "Und du einfach zu unsensibel! Das ist wohl der Ausgleich, den das Universum vorgesehen hat.“
Q: Was werde ich sagen, wenn jemand meinen Körper, mein Aussehen oder mein Essverhalten kommentiert?
A: „Ich möchte nicht, dass du meinen Körper/mein Essverhalten kommentierst und bitte dich daher, das künftig zu unterlassen.“
Dazu ist es natürlich auch wichtig, dass auch deine Tonlage selbstbewusst und selbstbestimmt klingt. Du kannst das auch gerne alleine vor dem Spiegel zuhause, mit einer Person deines Vertrauens oder im Coaching üben.
Tipp #5: Suche dir Vorbilder und integriere die Teile, die du bewunderst
Mein Mann kann beispielsweise sehr pointiert, prägnant, strukturiert, klar und effizient kommunizieren, was ich sehr bewundere (weil ich ja genau das Gegenteil bin: eine kleine Plaudertasche, die sich gerne mal in Erzählungen verliert :D).
Es gibt allerdings Situationen, in denen seine Art der Kommunikation sehr hilfreich ist. Natürlich werde ich niemals dauerhaft so kommunizieren können wie er (was ich aber auch gar nicht möchte, weil dann wäre ich ja nicht mehr ich ;-)), aber ich habe gelernt, mir in gewissen Situationen seine Sprache sozusagen „auszuborgen“ und das hat mein Leben sehr erleichtert.
Ich empfehle dir daher mal zu beobachten, was du an der Kommunikation von anderen bewunderst und wie du diese Anteile auch bei dir stärken kannst. Denn grundsätzlich können wir dank der Neuroplastizität unseres Gehirns auch andere Kommunikationsspielarten erlernen. :-) Dazu kann ich dir übrigens das Buch "Ich kann auch anders" von Isabel García wärmstens empfehlen.
Und nun wünsche ich dir viel Freude beim Ausprobieren und Entdecken!
Lass mich gerne wissen, wie es dir dabei ergangen ist!
Und wenn du gerne tiefer gehen möchtest, dann lade ich dich ganz herzlich zu meinem Workshop „Level up your communication skills – Nie wieder sprachlos als HSP“ am Sonntag, 1. September 2024, 10-13 Uhr, 1060 Wien, ein.
Nähere Infos und Anmeldung: https://authentisch-ich.at/hsp-sundays/
Ich freue mich auf dich!
Alles Liebe
Julia (Hesse)
Comments